Eine musikalische Reise in den Orient

„Oriental Jazz“: Mohamed Najem und Sanaz begeistern am Kulturbahnhof und lassen keine Spur vom trüben Sommer

von Silvia Jagodzinska

Mitreißende orientalische Rhythmenverschmolzen mit Jazzstandards, arabische Melodien umspielten westliche Harmonien im Biergarten des Kuba - und brachten damit Leben in die Tristesse des Sommers. Das Doppelkonzert unter dem Titel „Oriental Jazz“, zu dem „Kultur ohne Grenzen“ geladen hatte, eröffnete der aus Bethlehem stammende Komponist, Klarinettist und Ney-Spieler Mohamed Najem mit seinen „Friends“. Das sind Pianist Clement Prioul, Bassist Thomas Possner und DrummerBaptiste Castets.

Najem, der besonders in Frankreich bereits bekanntist, konzertierte erstmalig in der Region. In englischer Sprache schilderte er dem interessierten Publikum Episoden aus seinem Leben, die sich in seinen Kompositionen mit musikalischen Elementen aus Griechenland, der Türkei oder dem Balkan, aber auch mit Kleszmer-Komponenten wiederfanden. Durch sein exzellentes Spiel auf der Klarinette, verbunden mit dem einen oder anderen eindrucksvollen Basssolo von Possner, nahmen die Geschichten für den Zuhörer Gestalt an. Beispiele sind Najems Wegstrecke von „Betlehem nach Anger“, „Floor no. 4“, den er in Haifa bewohnte - mit wunderschönem Blick auf einen See, an dem bereits sein Großvater lebte. Eines seiner Stücke heißt schlicht „Bus“. Die Melodie ließ das Publikum das allmähliche Kennenlernen der anderen Buspassagiere im täglichen Alltag nachempfinden. Mit passenden Klatschrhythmen untermalten die Zuhörer auf Anfrage gerne das gelungene Oriental-Jazz-Repertoire. In den letzten Stücken bat Najem Gastmusiker Benjamin Stein auf die Bühne, der die Tantoor und die Ouder klingen ließ. Mit ihrem sehr gefühlsbetonten Lied in arabischer Sprache über das „Gespräch mit einer Nelke“ startete Sanaz aus dem aserbaidschanischen Teil des Iran ihr mystisches Bühnenprogramm. Die Nelke erinnere „an die aufgehende Sonne“, die die Dichterin und Sängerin mit der kürzlich verstorbenen Marijke Barkhoff-Freeling in Verbindung brachte, Gründerin des gastgebenden Vereins „Kultur ohne Grenzen“. Dessen Vorsitz hat nun Hartmut Capellmann inne.

Aus Sanaz‘ Feder stammt ein „sehr besonderes Lied“, eine Komposition von Benjamin Stein, in der die Iranerin schöne Erinnerungen an ihre Heimat wie Mosaiksteine aneinander reiht: „Wunderschöne Menschen, ein wunderschönes Land, aber schlimme Regierungen“, brachte sie den Inhalt auf den Punkt. Sanaz spielte so viele Jahre mit den „Wörtern“ in ihrer Muttersprache, durfte sie aber im Iran nicht veröffentlichen. Weil sie ihr Leben dort „wie unter einer Glocke“ empfand, die ihr „die Luft zum Atmen nahm“, verließ sie das Land 2008. Sie zog in die Türkei, anschließend nach Deutschland. Seit 2010 wird sie von „Kultur ohne Grenzen“ unterstützt. In diesem Jahr erschienen auch ihre Gedichte zum ersten Mal zweisprachig, in Deutsch und Farsi. Aus ihrem neuen Gedichtband „Silhouette“ las sie nacheinander in beiden Sprachen „Die Fremdsprache der Liebe“, das mit den Worten beginnt: „Du hast keine Lust, meine Liebesgedichte zu hören. Lass uns über Politik reden, über die Krisengebiete meines Körpers, überfüllt von Kerkern.“

In Verbindung mit einem späteren türkischen Lied verriet sie ihren persönlichen Sinn des Lebens, nämlich: „Glücklich zu sein und die anderen glücklich zu machen.“ Ihre Begleitmusiker waren Benjamin Stein an den Kurzhaltlauten Oud und Baglama, der zither-ähnlichen Santoor und der Langhalslaute Tar, Bassist, Bratschist und Geiger Uwe Böttcher und Percussionist Steffen Thormählen. In einem abschließenden dritten Konzertteil fanden sich Sanaz und Mohamed Najem mit all ihren „Friends“ gemeinsam auf der Bühne wieder. Sie interpretierten türkisch-aserbaidschanische Lieder und zwei Eigenkompositionen. Das begeisterte Publikum harrte bei Regenschauern und kühlen Temperaturen bis zum Endeaus, spendete begeisterten Applaus und etliche Scheine und Münzen ins Sammelkörbchen.